Vom Bergmann zum Aquanauten Auf den Spuren der tschechoslowakischen Unterwasserstation PERMON von Steven Blum Am 2. März 1967 erfolgte in der Nähe von Ostrava der erste erfolgreiche Langzeitaufenthalt zweier Aquanauten in einem Unterwasserhaus in der Tschechoslowakei. Im Rahmen des Unternehmens PERMON III verbrachten Vilém Kocián und Vladimír Geist drei Tage in einer Tiefe von 14 m in dem gefluteten Steinbruchsee Šifr westlich von Svobodné He?manice. Fünfundfünfzig Jahre später trafen ich mich mit Josef Jan Dvo?á?ek am Ort des Geschehens. Josef Jan Dvo?á?ek war von Anfang an Teil des Unternehmens PERMON. Er berichtete von den ersten wissenschaftlich begleiteten tschechischen Dekompressionsexperimenten, die mit Trockentauch-Experimenten in einer Druckkammer begannen und mit mehreren Einsätzen in Unterwasserkabinen fortgesetzt wurden. Besonders spannend waren seine Berichte über die Herausforderungen während der verschiedenen Einsätze. Josef Jan Dvo?á?ek (links) im Gespräch mit dem Autor Steven Blum (rechts) am Einsatzort von PERMON III und IV in Svobodné He?manice (Foto: Roger Blum) Vom Bergmann zum Aquanauten Viele Berichte über Unterwasserstationen beginnen mit der Vision der Besiedlung der Tiefsee. Ganze Siedlungen aus druckfesten Unterwasserhäusern sollten auf dem Grund der Weltmeere errichtet werden, um den letzten noch unerschlossenen Raum für die überbordende Menschheit nutzbar machen. Ganze Siedlungen aus Unterwasserhäusern sollten in den Weltmeeren errichtet werden, deren Bewohner unter Wasser Fische züchten, riesige Unterwasserfarmen betreiben, nach wertvollen Mineralien schürfen und nach Öl und Erdgas suchen sollten. Für den Bau und den Einsatz der PERMON-Unterwasserstation spielten diese Visionen keine Rolle. Die Geschichte der Station und die darin durchgeführten Langzeittauchexperimente sind eng mit der Entwicklung des Grubenrettungswesens der Tschechoslowakei verbunden. Vergleicht man die Bedingungen unter Tage mit denen unter Wasser, fallen viele Gemeinsamkeiten auf. Der Arbeitsort in den Stollen unter der Erde ist also den Bedingungen unter Wasser sehr ähnlich. Druck, Luftfeuchtigkeit und Temperatur sind wesentlich höher als bei Arbeiten an der Oberfläche. Sauerstoffmangel in der Atemluft und toxische Gasentwicklungen sind keine Seltenheit. Das führte im Bergbau schon früh zur Entwicklung von Atemschutzgeräten. Nachdem diese technischen Möglichkeiten es gestatteten, einen von der Umgebungsluft unabhängigen Atemschutz bereitzustellen, entwickelte sich schnell ein organisiertes Grubenrettungswesen. Schon bald unterhielten alle Betriebe, die untertägigen Bergbau betrieben, Grubenwehren zur Rettung von in Gefahr geratenen Bergleuten und zur Verhinderung und Bekämpfung von Havarien. Diese Rettungsmannschaften waren auch immer wieder mit Unglücken konfrontiert, bei denen Wasser in die Gruben strömte. Beispielsweise wurde eine der größten Bergbaukatastrophen in der Tschechoslowakei durch verheerende Überschwemmungen ausgelöst, verursacht durch einen plötzlichen Wolkenbruch,. In Šardice war ein Tagebau der Braunkohlengrube Dukla durch einen Wasserschwall eingestürzt und der Schacht mit Wasser geflutet. 34 Bergleute konnten sich nicht mehr retten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass innerhalb der Grubenwehren recht früh mit dem Aufbau von Tauchergruppen begonnen wurde. Die Grubenwehrtaucher wurden nach Wassereinbrüchen in Bergwerken oder in Kohleschlammbecken eingesetzt. Zu ihren Aufgaben gehörten Reparaturarbeiten in gefluteten Stollenabschnitten, die Säuberung von Pumpenschächten, das Reinigen von Saugkörben, die Kontrolle von Brunnen und Wasserinstallationen sowie Arbeiten im Zusammenhang mit der Entwässerung und Versiegelung von Grubenbohrlöchern. Mitte der 1960-er Jahre wurde bei der Grubenwehr des staatlichen Steinkohle-Bergbauunternehmens OKD (Ostravsko-karvinské doly, dt. Ostrava-Karviná Bergbau) eine solche Tauchergruppe von Miloš K?íž und Jan Da?ek aufgebaut. Diese nannte sich PERMON, nach einem kleinen Kobold der in zahlreichen Sagen und Legenden der mährisch-schlesischen Region Erwähnung findet. Josef Jan Dvo?á?ek kannte Miloš K?íž aus gemeinsamen Tagen als Sporttaucher der Svazarm, einer Organisation, die in etwa vergleichbar mit der GST in der DDR war. „Ich war Bundesausbilder bei der Svazarm“, erzählt Josef Jan Dvo?á?ek. „Als mein Tauchkamerad Miloš K?íž beruflich bei den Rettungskräften der Hlavní Bá?ská Záchranná Stanice (HBZS) anfing, schlug er vor, dass wir Svarzam-Taucher als Ausbilder für die Spezialgruppe der Grubenwehr eingesetzt werden. Ich wurde ehrenamtlich im Rettungsdienst tätig und führte bei der HBZS mehrere Ausbildungen und Tauchkurse zum Unterwasser-Brennschneiden und Unterwasserbohrungen durch.“ Generell sind Unterwassereinsätze von Tauchern kurzfristiger Natur. Langzeiteinsätze bis hin zum Sättigungstauchen waren zu diesem Zeitpunkt kaum untersucht. Die Notwendigkeit war auch nicht im Bewusstsein der Rettungsdienste. Ein tragisches Ereignis in Deutschland änderte alles. Am 24. Oktober 1963 war in Lengede ein Klärteich eingebrochen, und fast 500.000 Kubikmeter Wasser und Schlamm strömten in das dortige Bergwerk. Die gesamte Grube wurde von der 100-m-Sohle bis zur 60-m-Sohle überflutet. Damals galt eine solche Katastrophe oftmals als Todesurteil für die eingeschlossenen Bergleute. Zwei Tage nach dem Wassereinbruch wurden die letzten 39 verschütteten Bergleute von der Betriebsleitung für tot erklärt. Doch am westlichen Streckenende der 100-m-Sohle hatten drei Bergleute Glück gehabt. Das einströmende Wasser hatte am ansteigenden Streckenende die Luft zusammengedrückt und so eine unter Überdruck stehende Luftblase gebildet, in der die Bergleute festsaßen, lebendig begraben in 79 m Tiefe. Mit Klopfgeräuschen am Bohrgestänge konnten die Eingeschlossenen auf sich aufmerksam machen und ihr Überleben signalisieren. Daraufhin wurde eine einzigartige Rettungsaktion in Gang gesetzt. Zur Bergung der eingeschlossenen Bergleute wurde von der Oberfläche ein Rohr in die Tiefe getrieben. Diese Rettungsbohrung kam aber nur langsam voran. Erst am 1. November wurde das Ziel erreicht. Das stellte die Rettungskräfte vor eine besondere Herausforderung. Die Bergleute hatten bereits acht Tage in der Tiefe verbracht und nun bestand die Schwierigkeit darin, die Luftblase anzubohren, ohne dass dabei die Luft entweichen konnte. Denn nach dem langen Aufenthalt unter Überdruck hätte ein plötzlicher Druckausgleich zwischen dem Überdruck im Stollen zum Normaldruck die Druckfallkrankheit (Caissonkrankheit) bei den Eingeschlossenen auslösen können. Akute Gesundheitsstörungen bis hin zu dauerhaften Lähmungen oder Tod wären die Folge. Um die Druckentlastung zu vermeiden, wurde das enge Rohr an der Oberfläche mit einer Dekompressionskammer verbunden. Ein Aufzug brachte die Bergleute mit Hilfe einer torpedoförmigen Rettungskapsel durch das Rohr in die Überdruckkammer. Bei diesem Verfahren standen Stollen, Rohr und Kammer unter dem gleichen Druck, in dem die Bergleute bis zu ihrer Rettung 196 Stunden verbracht hatten. In der Kammer erfolgte dann die langsame Anpassung der Bergleute an den normalen Luftdruck (Dekompression). Die Geretteten mussten dieselbe Dekompression durchlaufen wie Taucher, die dieselbe Zeit in einer Tiefe verbringen würden, die diesem Überdruck entspricht. Über den zeitlichen Ablauf eines solchen Dekompressionsvorganges lagen zu diesem Zeitpunkt kaum Erfahrungen vor. Die zunächst unmöglich erscheinende Rettung glückte und ging als Teil des „Wunders von Lengede“ in die Geschichte ein. Die Erfahrungen aus dem Grubenunglück in Deutschland hatten gezeigt, dass auch die Dekompressionsforschung für das Grubenrettungswesen von großer Bedeutung war. Eine ähnliche Situation wie in Lengede konnte auch in tschechoslowakischen Bergwerken nicht ausgeschlossen werden. Unterlagen zur Berechnung einer risikoarmen Dekompression nach langem Aufenthalt unter hohem Druck waren kaum vorhanden. Bekannt waren Dekompressionstabellen, die während des Einsatzes in Lengede von Medizinern des Instituts für Flugmedizin erstellt wurden. Diese Tabellen entstanden in einer Notsituation und waren nicht wissenschaftlich verifiziert. Die einzigen Forschungen auf dem Gebiet der Dekompressionsforschungen in den USA und Frankreich waren zu dieser Zeit für die tschechoslowakische Bergrettung nicht zugänglich. Die zentrale Hauptstelle für das Grubenrettungswesen in der Tschechoslowakei, die Hlavní Bá?ská Záchranná Stanice (HBZS), beschloss daraufhin, dass eigene wissenschaftlich fundierte Untersuchungen zum physiologischen Verhalten des Organismus im Überdruck sowie die Entstehung der Caissonkrankheiten durchzuführen sind. Experimentell und theoretisch sollten Mediziner den Einfluss von hohem Druck und der darauffolgenden Dekompression untersuchen und die Gültigkeit der zugänglichen ausländischen Dekompressionstabellen überprüfen. Der Leiter der HBZS Ostrava, Lubomír Hájek (15. August 1927 - 3. Februar 2010), beauftragte den Bau einer Überdruckkammer am Städtischen Krankenhaus Ostrava in Fifejdy. Sie wurde von Technikern des Automatisierungs- und Mechanisierungsbetriebs des Kohlenrevier Ostrava-Karviná (OKR) und einem Ärzteteam unter der Leitung von Dr. Vojmír Sev?ík entwickelt und gebaut. Es war die erste medizinische Einrichtung dieser Art in der Tschechoslowakei. Um die Funktionsfähigkeit, die Handhabung und die Verweildauer zu überprüfen, wurden im Frühjahr 1966 experimentelle Überdruckversuche unter Laborbedingungen durchgeführt. PERMON I – Experimente im Labor Am 1. März 1966 startete unter der medizinischen Leitung von Dr. Ji?í Dostál der erste Langzeitaufenthalt in der Druckkammer. Während eines 87-stündigen Experiments wurde ein Tauchgang in einer Tiefe von 25 m simuliert. Als Probanden wurden vier Taucher der PERMON-Grubenwehrgruppe ausgewählt. Die PERMON-Taucher waren namengebend für die Experimentalserie zur Untersuchung des Langzeitaufenthalts von Menschen unter hohem Druck. Vier Tage lang verbrachten Karel Hode?ek, František Hejnyš, Miloš K?íž und Josef Jan Dvo?á?ek in der Überdruckkammer. Die gesamte Zeit über befanden sich die vier Teilnehmer unter ärztlicher Aufsicht. Jeden Tag wurden zahlreiche physiologische und psychologische Untersuchungen durchgeführt. Die physiologischen Tests wurden von Dr. Lubomir Kunc durchgeführt, die psychologischen Tests von Dr. Jin Voborský. Den engsten Kontakt hatten die Taucher mit Dr. A. Kachlík, dem Chefarzt des Hauptrettungsdienstes in Ostrava Radvanice. Täglich kam eine Gruppe von zwei bis vier Ärzten in die Kammer, um an den Tauchern psychologische und physiologische Untersuchungen durchzuführen (Foto: Archiv Josef Jan Dvo?á?ek) „Schon zwei Tage bevor wir die Kammer betreten hatten, waren wir umfänglich untersucht worden“, erinnert sich Josef Jan Dvo?á?ek. „Während unseres Aufenthalts in der Druckkammer wurden dann die gleichen Testreihen und Untersuchungen jeden Tag erneut durchgeführt und verglichen. Hauptsächlich waren das Gedächtnis- und Reaktionstests, Belastungstests auf dem Fahrradergometer, Messungen der Lungenkapazität und der Sauerstoffsättigung des Blutes. Interessanterweise ergab sich, dass während des Experiments die geistige Aktivität zugenommen und erst vor dem Ende des Überdruckaufenthalts etwas abgenommen hatte. Dies führte später zur Entwicklung von Therapien zur Vorsorge und Behandlung von Gedächtnisstörungen.“ Nach vier Tagen Aufenthalt in der Kammer begann der wichtigste Teil des Experiments – die Dekompressionsphase. „Wie wichtig solche Erkenntnisse sind, haben die uns untersuchenden Ärzte am eigenen Leibe gespürt“, erzählt Jan Josef. „Gottseidank nicht wegen eines Unfalls, sondern wegen eines wichtigen Eishockeyspiels. Ein Ärzteteam hatte die Zeit der Messungen überzogen. Um rechtzeitig zu Spielbeginn vor dem Fernsehen sitzen zu können, verkürzten sie die berechnete Dekompressionszeit. Solch ein Verhalten ist bekanntermaßen keine gute Idee. Gegen 23.00 Uhr wurde einer nach dem anderen mit dem Krankenwagen mit Symptomen der Caissonkrankheit eingeliefert. Um Mitternacht waren wir alle wieder in der Kammer vereint.“ Das Dekompressionsregime startete nach den bisher bekannten Dekompressionstabellen. „Keiner von uns hatte Angst, denn wir vertrauten den Berechnungen von Dr. Kachlik“, erinnert sich Josef Jan Dvo?á?ek. „Gleich nach Beginn der Dekompressionsphase traten aber bei einem meiner Kameraden die typischen Symptome der Caissonkrankheit auf, die sogenannten Bends. Die Ärzte erhöhten den Druck und die Schmerzen verschwanden. Damit war allen klar, dass die nach den Fremdtabellen berechneten Dekompressionszeiten verlängert werden müssen. Aus psychologischen Gründen wurde entschieden, die Dekompression in der Nacht während unserer Schlafphase durchzuführen. Das war für uns alle wesentlich angenehmer. Der Druck wurde in kleinen Zwischenschritten gesenkt. Bis zum Erreichen des Normaldrucks kam es zu keinen weiteren Zwischenfällen. Wir waren alle aufgeregt, weil unsere Familien und Freunde draußen auf uns warteten.“ Nach Abschluss des in der Druckkammer simulierten Sättigungstauchgangs mussten die Ergebnisse im Freiwasser verifiziert werden. Im Wasser gibt es zusätzliche Faktoren wie Feuchtigkeit und Kälte, die einen wesentlichen Einfluss haben. Es war notwendig auch diese Einflüsse wissenschaftlich zu untersuchen, da auch hierdurch Korrekturen der Ergebnisse der Tauchsimulation in der Druckkammer zu erwarten waren. Um die zusätzlichen Parameter untersuchen zu können, wurde der Bau einer Unterwasserkabine vorgeschlagen. Das Experiment ist abgeschlossen. Die vier Taucher Karel Hode?ek, František Hejnyš, Josef Jan Dvo?á?ek und Miloš K?íž (v.l.n.r.) verlassen die Überdruckkammer (Foto: Archiv Josef Jan Dvo?á?ek) Vorbereitung im Schwimmbad Zur Vorbereitung des Einsatzes einer Unterwasserstation sollten zum Schutz der Aquanauten zunächst die Auswirkungen eines möglichen Notaufstiegs untersucht werden. Dazu fand ein Experiment im städtischen Hallenbad von Ostrava statt. Das mehrstündige Experiment wurde von den beiden Tauchern Vilém Kocián und Stanislav Huvar durchgeführt. Am Boden des etwas mehr als drei Meter tiefen Beckens war eine kleine Taucherglocke installiert. Die Luftversorgung der Taucher wurde durch ein selbstgebautes Sauerstoff-Kreislaufgerät und ein oberflächenversorgtes Nargileh-Schlauchtauchgerät mit Anschluss an zwei 40-Liter-Sauerstoff-Flaschen sichergestellt. Unter ärztlicher Aufsicht wurden wieder grundlegende physiologische Tests an den beiden Tauchern durchgeführt. Nach erfolgreichem Abschluss der Experimente im Schwimmbad erlaubten es die gewonnenen Ergebnisse, weitere Experimente unter realen Bedingungen im Meer durchzuführen. PERMON II – Geflutet und versenkt im Sturm In der zweiten Phase der PERMON Experimente begannen die Taucher aus Ostrava im Mai 1966 mit dem Bau einer Unterwasserkabine. Unterstützung erhielten sie von der Klement-Gottwald-Eisenhütte Vítkovice. Es wurde eine 2 m x 2 m große Kabine gebaut. Im Gegensatz zu anderen Experimenten mit Unterwasserhäusern, die aus anderen Ländern bekannt waren, erfolgte die Luftversorgung nicht von der Oberfläche, sondern aus Druckflaschen, die seitlich an der Kabine befestigt waren. Die einzige Verbindung zur Oberfläche bestand aus einem Telefon- und Stromkabel. Der Einsatz der Unterwasserkabine sollte im August 1966 an der jugoslawischen Adria-Küste erfolgen. Vor der Insel Ciovo bei Split sollte die Kabine in einer Tiefe von 25 bis 30 Metern eingesetzt werden. Geplant war ein zweiundsiebzigstündiger Aufenthalt zweier Aquanauten in der Station. PERMON II im Hafen von Split (Foto: Archiv Roman Kudela) Während der Versuche, die Unterwasserkabine zum vorgesehenen Einsatzort zu bringen, kam überraschend ein Sturm auf. Durch den starken Seegang riss die Verankerung und die Station trieb aufs offene Meer. Das ungesteuerte Driften der Unterwasserkabine hätte die Schifffahrtwege nach Split erheblich gefährden können. Die Entscheidung, die Ventile zu öffnen und die Kabine zu fluten, bedeutete das Ende des Unternehmens PERMON II. Nach dem Sturm wurde die stark beschädigte Kabine geborgen und zurück in die Tschechoslowakei gebracht. Der Rückschlag entmutigte die Taucher nicht. Die Kabine wurde in dreimonatiger Arbeit repariert. Im Frühjahr 1967 wurde ein erneuter Versuch unter dem Namen PERMON III gestartet. PERMON III und IV – Vom Neuanfang zum Rekord Für das Folgeexperiment mit der reparierten Station wurde ein Einsatzort gesucht, bei dem die Wetterbedingungen vorhersehbarer waren und nicht mit hohen Wellen zu rechnen war. Naheliegend war der Einsatz der Unterwasserkabine in einem tiefen See. Ausgewählt wurde ein gefluteter Steinbruch in der Nähe von Ostrava. Der Schiefersteinbruch Šifr in Svobodné He?manice (ehemals Frei-Hermersdorf) mit seiner Länge von 380 m, Breite von 70 m und Tiefe von 37 m bot ideale Bedingungen. Für das Experiment PERMON III wurde die Unterwasserkabine in einer Tiefe von zehn Meter verankert. Am Morgen des 2. März 1967 stiegen die beiden Aquanauten Vilém Kocián und Vladimír Geist zum Unterwasserhaus hinab. Alles funktionierte einwandfrei: Die Luftversorgung, die Versorgung mit Elektroenergie, die Heizung, die Gasanalysen und alles, was zum Wohnen unter Wasser gehört. Das Leben während der nächsten Tage war bestimmt durch Überprüfungen der elektrischen Anlagen und Luftversorgung, Besuche von der Oberfläche, Annahme von Material- und Lebensmittelbehältern und anderen Aufgaben. Mehrmals verließen die beiden Bewohner ihre Unterwasserwohnung, um die Umgebung bis zu einer Tiefe von 20 m zu erkunden. Nach den Tauchausflügen im kalten Märzwasser ging es zurück in die beheizte Kabine und die Tagesroutine setzte wieder ein: Ersetzen der Absorber, Überprüfung der Luft, medizinische Checks. Einsatz am Steinbruch Šifr in Svobodné He?manice (Fotos: Archiv Kamil Vanek) „Zwei Tage lief alles gut, bis sich das Wetter änderte und ein Sturm aufkam“, erinnert sich Josef Jan Dvo?á?ek, der bei PERMON für die Analyse der Atemgasversorgung verantwortlich war. „Kurzfristig wurde die Stromversorgung von der Oberfläche zur Kabine durch einen Kurzschluss unterbrochen. Der Schaden war nicht schwerwiegend und gefährlich. Während der Störungsbeseitigung konnte auf Ersatzstromversorgung umgeschaltet werden, was aber bedeutete, dass die Heizungssysteme ausgeschaltet bleiben mussten. Die Temperaturen in der Kabine sanken drastisch. Auf diesen Notfall waren die Aquanauten aber bestens vorbereitet. Es gab elektrisch beheizte Anzüge mit eigener Stromversorgung in der Kabine. Das defekte Kabel konnte repariert und das Experiment PERMON III erfolgreich beendet werden.“ Nach achtzig Stunden unter Wasser tauchten die beiden Aquanauten am 5. März 1967 um 16 Uhr wieder auf. Damit hatten sie den ersten Langzeitaufenthalt in einer Unterwasserstation in der Tschechoslowakei absolviert. Mit diesem Einsatz konnte nachgewiesen werden, dass die Unterwasserkabine einwandfrei funktioniert und technische Arbeiten, die das Leben unter Wasser erforderlich macht, ohne Schwierigkeiten durchgeführt werden können. Noch im gleichen Jahr wurde das Folgeexperiment PERMON IV bei höherem Druck in einer Tiefe von 25 m über einen noch längeren Zeitraum durchgeführt. Vilém Kocián und Vladimír Geist verbrachten vier Tage und sechs Stunden in der Station. Die Missionsdauer von 102 Stunden blieb 48 Jahre lang tschechischer Rekord. Erst im Jahre 2015 wurde der Rekord von David Vondrášek überboten, nachdem dieser fünf Tage in einem Habitat am Grund des Steinbruchs Slov?nický mlýn in 10 m Tiefe verbracht hatte. Vilém Kocián und Vladimír Geist nach dem Rekordtauchgang (Foto: Archiv Kamil Vanek) Durch die Experimente PERMON I, III und IV gewonnenen Daten ergaben wissenschaftlich abgesicherte Dekompressionstabellen für Langzeittauchgänge. Diese waren über die Bergrettung hinaus auch für jegliche Art von Tauchgängen von Bedeutung. PERMON V – Der Traum vom All Im Jahr 1974 entwickelten die PERMON-Taucher eine weitere Vision. Ein Taucher, der in einer kleinen Kabine tief unter Wasser eingeschlossen ist, macht eine ähnlich extreme Erfahrung wie ein Kosmonaut in der Erdumlaufbahn. Es entstand die symbolträchtige Idee, Teilnehmer von Weltraum- und Unterwassermissionen zu verbinden. Nachdem bekannt geworden war, dass im Juli 1975 die Kopplung eines Apollo- und eines Sojus-Raumschiffs in der Erdumlaufbahn geplant war, begannen die tschechischen Taucher zu überlegen, wie sie sich diesem sowjetisch-amerikanischen Raumfahrtprojekt anschließen könnten. Sie waren der Meinung, dass eine Beteiligung am legendären Sojus-Apollo-Raumfahrtprogramm, bei dem die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten erstmals im Weltraum zusammenarbeiteten, Zuspruch finden würde. Es war angedacht, dass während der Mission eine Kommunikationsverbindung zwischen der Besatzung der PERMON-Kabine und dem Sojus-Raumschiff hergestellt werden sollte. Die Verbindung sollte mit Hilfe mobiler Funkstationen der tschechoslowakischen Armee hergestellt werden. Technisch gesehen wären diese wahrscheinlich in der Lage gewesen, ein Signal direkt in die Umlaufbahn zu senden. Unter dem Motto „Vom Wasser zu den Sternen" begannen die Planungen für eine neue Kabine. Konstrukteur Ivan Kratochvil entwarf eine zylindrische Kabine, etwa 4 m hoch und 2,20 m im Durchmesser. Der Bau sollte wieder von der Eisenhütte Vítkovice übernommen werden. Sogar der Tagesplan der Besatzung wurde bereits ausgearbeitet. Für die Teilnahme am Sojus-Apollo-Projekt war die Zustimmung sowohl der sowjetischen als auch der amerikanischen Seite notwendig. Die Amerikaner äußerten sich eher positiv, allerdings unter der Bedingung, dass der andere Partner, die Sowjetunion, ebenfalls eine positive Erklärung abgibt. Um die Empfehlung von sowjetischer Seite zu erhalten, kontaktierten die tschechischen Taucher eine Vielzahl an Behörden und Institutionen. Doch die Sowjets schwiegen. Nie gab es von ihrer Seite eine Stellungnahme zu dem Angebot – weder positiv noch negativ. Ohne Zustimmung der sowjetischen Seite konnte das Projekt nicht realisiert werden. Mitte 1974, etwa ein Jahr vor dem Start der Sojus- und Apollo-Raumschiffe, mussten die Vorbereitungen für das Projekt PERMON V eingestellt werden. 55 Jahre später Heute befindet sich die PERMON-Unterwasserkabine noch immer im Steinbruchsee bei Svobodné He?manice. Sie schwebt an Stahlketten aufgehängt, in einer Tiefe von etwa 14 Metern. Der Ballastblock, an dem sie verankert ist, befindet sich in 21 Meter Tiefe Während vor 55 Jahren der Zugang zum Steinbruchsee nur über steil abfallende Felswände möglich war, ist heute am Ostteil des Sees ein bequemer Zugang zum Wasser gegeben. Wie beim Ersteinsatz vor 55 Jahren bedeckte auch im März 2022 eine dünne Eisdecke den See. Die Sicht an diesem Tag war nicht sehr klar, das Wasser glich einer blaugrünen Suppe. Langsam tauchten wir zum Unterwasserhaus hinab. Schemenhaft zeichnete sich unter mir das Gebilde der Unterwasserkabine ab. Durch den auf der Unterseite befindlichen Einstiegsschacht gelangt man in den Innenraum. Dass kein Wasser ins Innere eindringen kann erklärt sich damit, dass die im Innenraum eingeschlossene Luft nicht nach außen entweichen kann. Das Prinzip ist vergleichbar mit der Luftblase in einem umgekehrten Glas, das man ins Wasser taucht. Welch unbeschreibliches Gefühl dieses Stück Tauchgeschichte tatsächlich zu betreten. Zugang zum See 1967 (links) und 2022 (unten) Im März 2022 hatte der Autor die Möglichkeit, der PERMON-Kabine einen Besuch abzustatten. (Fotos: Viktor Vrbovský und Roger Blum) Konstruktionszeichnung von PERMON V (Foto: Ivan Kratochvil) Ich danke Josef Jan Dvo?á?ek für die Einblicke in die tschechoslowakische Tauchgeschichte und Roman Kuleda für das unvergessliche Taucherlebnis zur historischen PERMON-Unterwasserkabine. Weiterhin danke ich Roger Blum und Martin Šajnar für die fotografische Dokumentation des Tauchgangs sowie Kamil Vanek, Viktor Vrbovský, Roman Kuleda und Ivan Kratochvil für die freundliche Genehmigung zur Nutzung der historischen Bilder. Unser Autor Steven Blum ist leidenschaftlicher Sporttaucher. Auf seiner Website easydive24.de schreibt er regelmäßig Berichte über seine Taucherlebnisse und zu tauchhistorischen Themen. Gemeinsam mit seinem Bruder Roger Blum veröffentlichte er das Buch „Schwerelose Zeiten“ zum Tauchsport in der DDR.