Analyse des Dräger Shark Von Georgios Tsounis Einführung Der Dräger Shark ist ein eher exotischer Atemregler, den man nicht oft sieht. Er wird leider nicht mehr hergestellt, und Dräger hat Ende 2021 auch die Ersatzteil-Produktion eingestellt und den Shark durch den SECOR 7000 ersetzt, einen eher konventionellen Entwurf. Den Shark gibt es allerdings, wohl aus Lagerbeständen, noch neu zu kaufen [TKo], auch einige Ersatzteile [WaS]. Beide Modelle sind auch für den Anschluss an Dräger-Vollgesichtsmasken vorgesehen, und werden in den Bereichen Polizei, Militär, Berufstauchen und DLRG eingesetzt. Selbst mit garantierter Ersatzteilversorgung war der Shark nicht vorbehaltlos für Sporttaucher zu empfehlen, da die Wartung deutlich teurer als für gewöhnliche Regler war. Die Technik im Shark ist allerdings auf so einem hohen Stand, dass es sich lohnt, die Funktionsprinzipien genauer anzuschauen, was auch unser Motiv ist, diesen relativ jungen Regler hier zu betrachten. Er folgt nämlich der Entwicklungsreihe "Pilot" bis "D400" von SCUBAPRO, Mundreglern, die mit einem völlig neuartigen balancierten "Spulenventil" ausgestattet waren, wie hier am Beispiel des D400 gezeigt. Es gibt zwei Ausführungen des Shark, als Mundregler wie oben rechts und als Regler für die Panorama-Nova-Vollgesichtsmaske von Dräger, wobei die Ansatzstücke austauschbar sind. Außerdem steht ein gelber Blasenabweiser für die Nutzung als Oktopus zur Verfügung. Die erste Stufe ist mit DIN- oder INT-Anschluss ausstattbar. Die zweite Stufe Die zweite Stufe des Shark ist zentral-balanciert, wie man es auch im D400 findet. Der Vorteil der zentralen Balancierung gegenüber der üblichen Balancierung vom Ende des Ventilrohrs her, wie etwa bei dem viel kopierten Scubapro G250, ist ein leichter Ansprechdruck, der innerhalb eines weiten Bereichs des Mitteldrucks nicht beeinflusst wird. Dräger nennt eine Eignung der zweiten Stufe für einen Mitteldruck-Bereich von 6-14 bar. Auch fließt der Luftstrom bei zentraler Balancierung direkter zum Mundstück und nicht über Hindernisse wie einen Dichtsitzträger in einem Rohr. Das Hebelventil ist derart ausbalanciert, dass es nicht wie üblich mit dem Druck öffnet. Man kann sich das Ventil als Spule mit zwei gegenüber liegenden Seitenflächen vorstellen, und wenn die nahezu gleich groß sind, bewegt der Druck die Spule kaum. Es reicht dann ein leichter Federdruck zum Bewegen der Spule und damit zum Schließen, Wenn eine Spulen-Seitenfläche etwas kleiner ist wie die mit dem Dichtkegel im unteren Bild, wird das Ventil geschlossen gehalten und öffnet erst, wenn der Hebel von der Hauptmembran her drückt. Dräger klassifiziert es als Upstream-Ventil, weil der Ventilkegel die etwas kleinere Fläche hat. Der Scubapro-D400 hat ein ähnliches Design, allerdings für Downstream, also mit dem Druck öffnend, optimiert. Der Shark hat daher auch ein Überdruckventil in der zweiten Stufe verbaut, und für die Version, die an die Vollgesichtsmaske von Dräger passt, gibt es einen Schlauch mit Überdruckventil nahe der ersten Stufe (siehe Bild oben), so dass ein MD-Steiger der ersten Stufe nicht über die zweite Stufe in die Maske bläst. Dann geht der Überdruck in die Umgebung und nicht in den Automaten, und die Vollmaske wird nicht vom Kopf geblasen, noch kann die konstant einströmende Luft die Kommunikation per Funk/Kabel erschweren. Der Shark hat einen Mundstückadapter, der gegen den P-Anschluss für die VGM ausgetauscht werden kann damit er dann an die Panorama-Maske passt. Man merkt, hier wurde von vorneherein ein System entworfen. Die Ausatemmembran ist coaxial in der Hauptmembran gelagert, und nach unten gerichtet, wodurch der sogenannte “Case Geometry Fault”, also Gehäuse-Geometrie Mangel, weitgehend beseitigt wird , siehe [Wo1]. In der Praxis heißt das, dass ein geringerer Einatemwiderstand eingestellt werden kann, und darüber hinaus bleibt der Einatemwiderstand weitgehend lageunabhängig. Bei einem herkömmlichen Regler wie dem Scubapro G250 kann man den Öffnungsdruck nicht so niedrig einstellen, da sonst die Membran durch den Wasserdruck betätigt wird und der Regler leicht durch die über der Hauptmembran liegende Ausatemmembran abbläst (zumindest wenn man nach unten schaut und die Ausatemmembran genau über der Reglermembran ist). Beim Shark und D400 ist die Ausatemmembran in der gleichen Ebene wie die Hauptmembran, und der Regler ist auch bei geringem Ansprechdruck dicht. Darüber hinaus ist es eine recht trockene Konstruktion, weil die tief gelagerte Ausatemmembran besonders gut das Ausblasen von Wasser erlaubt. Der Totraum ist recht klein gehalten, was zum Arbeiten mit Vollgesichtsmaske wichtig ist (reduzierte CO2-Anreicherung bei anstrengender Arbeit). Das Gehäuse scheint aus ABS und recht stabil. Der EPDM-Blasenabweiser ist sehr gut gelungen und lässt sich leicht abziehen und wieder montieren. Die Mundstückadapter sind mit einer Schraube im Inneren gesichert, was bei der Demontage beachtet werden muss. Das Ventil in der zweiten Stufe, ist eine beeindruckend solide Vollmetall-Konstruktion: Das Mittelteil ist anscheinend aus V4A-Stahl oder dergleichen. Am Ende des Ventilrohrs befindet sich das Überdruckventil, welches den Überdruck in den Regler gibt (im Bild im Vergleich mit dem D400, links) Die ursprüngliche Version des Ventils verwendete einen polierten Ventilkegel aus Stahl, der gegen einen geschickt in eine Nut eingelagerten O-Ring dichtet. Die Konstruktion scheint recht wartungsarm. Der Shark wurde jährlich gewartet, aber es wurde nur der Tausch von O-Ringen vorgesehen. Das Ventil wurde anscheinend nur alle 6 Jahre im Werk gewartet oder getauscht, wenn ich die mir zu Verfügung stehenden Informationen richtig gedeutet habe. Die originale Version dichtet das untere Ende der Spule mit einer gefederten Teflondichtung ab. So etwas findet man in der Tauchtechnik sonst nicht, es muss aus der Hydraulik/Pneumatik Anwendung kommen. Vermutlich reduziert solch eine Dichtung die Reibung und verbessert die Atemarbeit. Diese Version wurde seit Jahren nicht mehr gewartet und stattdessen einem Upgrade unterzogen. Manche gebrauchte Sharks haben statt des Upgrades noch den alten Block verbaut, und wurden von Bastlern mit einem O-Ring als Behelf versehen, als die alte originale Dichtung getauscht werden musste, aber nicht mehr bestellt werden konnte. Die Upgrade-Version des Shark dichtet stattdessen über einen Teflon-Kegel (gelb) gegen eine scharfe Kante im Gehäuse des Ventil-Mittelteils. Die Spule hat nun einen O-Ring an der unteren Seite, der in eine Nut eingelagert ist (ähnlich wie beim D400). Dies scheint wiederum eine recht wartungsarme Konstruktion zu sein, solange beim Demontieren der Kegel nicht gedreht wird, während er die Ventilkante berührt und dadurch zerkratzt. Die erste Stufe Die erste Stufe ist eine Konstruktion, die mir einzigartig scheint. Es ist ein trocken gekapselter, balancierter Kolben, kaltwassertauglich, kompakt, und braucht weder Christolube (Atomic), noch ein Shraderventil oder Konstantdosierung (Sherwood), damit kein Wasser eindringt. Allerdings ist die Tiefenkompensierung des Mitteldrucks überkompensiert, d.h. der Mitteldruck bleibt mit steigender Tiefe nicht konstant über dem Umgebungsdruck (z.B. üblicherweise 9,5 bar über Umgebungsdruck). Stattdessen addieren sich pro 10 m stolze 0,5 bar (Vergleich zu membrangesteuerten trocken gekapselten Stufen wie Apeks und dergl.: 0,1 bar), was aber für den Einsatzbereich dieses Reglers im Berufstauchen kein Problem darstellt, und stattdessen die Arbeit auf 40 m verbessern soll. Unter der EPDM-Kappe (21) ist alles trocken. Direkt darunter befindet sich eine Metall-Druckplatte (1), die den Druck auf den Federdeckel (24) weitergibt. Dieser ist geschickt durch einen Federwickelring (2) arretiert, und nimmt die Ventilfeder (27) auf. Auch eine Blindschraube (25) und drei Stifte (23) sind vorhanden, die den Druck auf den Hauptkolben (40) und den Ventilsitz (3) weitergeben. Die erste Stufe zu öffnen ist nicht einfach. Alleine die EPDM-Kappe zu lösen ist eine Herausforderung. Dann kann der Federdeckel z.B. mittels eines KFZ-Werkzeugs für Kugellager soweit heruntergedrückt werden, dass man den Federwickelring mit einer soliden Pinzette herauswickeln kann (nicht einfach, aber machbar). Vorher muss man jedoch die Blindschraube entfernen, um den Dichtsitz nicht zu beschädigen. Da sind andere Stufen wartungsfreundlicher, aber man kann nicht alles haben. Der Kolben endet in einem Rohr das in den Körper der ersten Stufe (16) hineingeht, und dort befindet sich die Hochdruckdichtung, die dem Kolben Bewegungsfreiheit für die Balancierung gibt. Die Dichtung besteht aus einem O-Ring (19), der mit einem Teflon Stützring (5) gepaart ist, wieder High-Tech aus der Aeronautik/Hydraulik, die sich im Tauchen so nicht findet. Der Ventilsitz befindet sich zentral im Kolben, was ungewöhnlich ist, und ist aufwändig in einen kleinen Metallkolben (40) eingefasst. Die Blindschraube im Federdeckel positioniert den Ventilsitz, und der Hauptkolben wird vom Druck bewegt und dichtet oder öffnet gegen den Ventilsitz. Groß dimensionierte Bohrungen erlauben den Fluss der Luft zu den Mitteldruck-Bohrungen für die Schläuche. Beim Demontieren sollte man die Hochdruckdichtung sehr vorsichtig mit einem weichen, stumpfen Plastik- oder Holzstift sanft herausschieben oder mit Druckluft ausblasen (das Dichtungspaar ist teuer). Fazit Insgesamt scheint der Shark ein Versuch gewesen zu sein, einen perfekten Regler zu schaffen, mit der besten verfügbaren Technik. Er hat eine zum Teil umständliche Konstruktion, die aufwändig und sicherlich teuer in der Herstellung war. Alleine das Ventilgehäuse aus Stahl zu fräsen, erfordert viel mehr Arbeitsschritte als ein Ventilrohr für einen G260 oder gar für einen Apeks XTX50 (komplett rund) zu drehen. Letztere sind aus verchromtem Messing, und der Shark braucht trotzdem noch ein ähnliches Ventilrohr. Zum angebotenen Preis war der Shark also ein Schnäppchen (nicht aber die Ersatzteile). Der Shark hat den Ruf, robust zu sein, allerdings ist er nicht für niedrigen Ansprechdruck wie etwa ein Scubapro D400/D420 optimiert, sondern für Zuverlässigkeit und hohe Luftlieferleistung im Berufstauchen. Die Achilles-Ferse des Shark ist lediglich ein einstellbarer Venturi-Effekt, der diesen Regler womöglich an die Spitze des Atemkomforts setzen könnte. Die Leistung des Sharks ist in dieser Form also sicher noch nicht ausgereizt, und das Konstruktionsprinzip hat ein ev. nicht voll entfaltetes Potential. Ein gut implementierter Venturi-Effekt ist wohl auch der Grund, warum einfachere Konstruktionen trotzdem einen sehr guten Atemkomfort bieten, und man könnte bestimmt sagen, dass die Entwicklung der Venturi-Einstellung (patentiert als VIVA) Scubapro zum Erfolg geholfen hat. Ist der Aufwand das Resultat wert, oder reichen einfachere Konstruktionen, wie das Nachfolgemodell SECOR 7000 und die üblichen Apeks (etc.) Regler die heutzutage den Markt beherrschen? Um das zu beantworten, habe ich den Shark nicht genug getaucht. Wer heutzutage einen zentral balancierten Regler kaufen möchte, hat lediglich den Scubapro-D420 zur Verfügung. Dieser verdankt seine Existenz vermutlich dem günstigen Kunststoff-Spritzguss aus Fernost für die Mehrheit der Teile, einschließlich des zentralen Ventilteils. Die Zukunft in der Atemregler-Herstellung wird sicherlich weiter in Richtung Kunststoff-Spritzguss gehen, was nicht unbedingt schlecht sein muss. Aber wenn man die im Shark verwendete Technik und Materialien betrachtet, sehnt man sich nostalgisch in Zeiten zurück, als noch kompromisslose Konstruktionen und gefräster V4A-Stahl in Atemreglern gefunden werden konnten... Literatur: [DHb] Dräger Shark-Handbuch 2002, t1p.de/9e00 [DSM] Dräger Shark Service Manual 2001 [Sev] Der Air1 von Scubapro t1p.de/4oksz [TKo] Tauchkontor, t1p.de/3tc40 [Wer] Frank Werthwein: Ungewöhnliche 2. Stufen (Pilot-Familie, TH07/38 [Wo1] Pete Wolfinger, "Scuba Regulator Savvy", 2003, Scuba Tools, Inc., Greensboro ASIN: B07KX96SVR [Wo2] Pete Wolfinger, "SCUBAPRO technical service manual", 1st edition 1994 [WaS] Watersafety, t1p.de/dm92 Über den Autor: Georgios Tsounis taucht seit 1989 und bildet seit 2014 Forschungstaucher aus. Er hat 2005 in Meeresbiologie promoviert und ist Honorarprofessor an der California State University in Los Angeles. Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel dient nur dazu, Aufbau und Funktion dieses außergewöhnlichen Atemreglers zu zeigen. Service und Wartung müssen den entsprechenden Fachleuten überlassen bleiben. Weitere Bilder zum Dräger Shark Der Shark wurde als NEMO auch von UWATEC verkauft