Das Kaltwasser-Kreislaufgerät „KATOX“ ein Sauerstoff-Erprobungsgerät militärhistorischer Tauchgeräteentwicklung der Drägerwerke von Helmut Knüfermann Bereits der Artikel „Dräger-Tauchgeräte für Meereskämpfer“, Teil IV in der Zeitschrift TauchHistorie Heft 12 12/2019 beschrieb das Dräger-Kreislaufgerät „KATOX“. Das Gerät selbst schien zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr zu existieren. Umso größer war die Überraschung, als ein KATOX in gut erhaltenem Zustand wieder „auftauchte“. Mit diesem Original reifte nach Revision und praktischem Einsatz im Freiwasser das Interesse, der spannenden Frage nach der Zweckmäßigkeit und Geschichte dieses interessanten Versuchsgerätes nachzugehen. So soll dessen Konstruktion hier näher beschrieben werden. Zum besseren Verständnis für die Zusammenhänge sind nachfolgend einige Daten und Passagen des genannten Artikels noch einmal eingefügt. Wie bekannt, sind militärische Sauerstoff-Tauchgeräte mit geschlossenem Atemkreislauf1 weltweit für taktische Operationen im Einsatz. Allen liegt eine gemeinsame Funktionsweise zugrunde. Das Exspirationsgas nimmt den Weg durch den Atemkalk, um dort von Kohlenstoffdioxid (CO2) befreit, über den Atembeutel (Gegenlunge) – angereichert mit reinem Sauerstoff - wieder zur Atmung bereitzustehen. Trotz des gemeinsamen Funktionsprinzips dieser Geräte, die alle eine eingeschränkte maximale Tauchtiefe von etwa 10 Metern2 erlauben, stellte (und stellt) Dräger eine Reihe unterschiedlicher Bautypen für verschiedene Aufgaben entsprechend der Einsatzprofile her. Die primär geforderte Eigenschaft eines Sauerstoff-Kreislaufgerätes fu?r Kampfschwimmer und Minentaucher ist eine maximale Verratsarmut. Blasenlose, geräuschlose und nichtmagnetische Ausführungen sind nicht nur Voraussetzungen für eine asymmetrische Kriegsführung, sondern auch erforderlich für die Lokalisation und Räumung von Seeminen. Darüber hinaus gehören besonders kleine Bauformen für Spezialaufgaben, Exemplare zum Einsatz von mehr als 5 Stunden Gebrauchszeit, sowie halboffene Geräte3 für die Verwendung in größeren Tauchtiefen zum militärischen Forderungsumfang. Kampfschwimmer-Einsätze im Polarklima Taucheinsätze in sehr kalten, geographisch und klimatisch exponierten Gebieten erfordern zusätzliche konstruktionstechnische Maßnahmen, um die Funktionsfähigkeit von Kreislaufgeräten zu gewährleisten. Nicht alleine Wassertemperaturen von 1,5 0C und weniger in Wassergrenzflächen, sondern zweistellige Minustemperaturen über Wasser können zum Versagen von Bauteilen führen. Bei der Verbringung von Tauchern zum Einsatzort über Luft, Land und See ist die jeweilige Umgebungstemperatur selten exakt vorherbestimmbar. Militärische Geräte sind während der Einsätze bei Kälte, die über viele Stunden wechselweise unter und über Wasser stattfinden können, einer harten Probe ausgesetzt. Um den Kontakt mit starkem Frost über Wasser zu vermeiden, ist ein „Parken“ des Gerätes unter Wasser für zwischenzeitliche Landoperationen oder „Boarding“ von Schiffen üblich. Bei tiefen zweistelligen Minustemperaturen über Wasser ist jedoch eine Unbrauchbarkeit schnell erreicht – besonders dann, wenn das Gerät vorher bereits zum Einsatz kam und durch den inneren Feuchteanteil zufriert. Unter diesen Temperaturverhältnissen reicht selbst ein Anatmen mit der warmen Ausatemluft zur Geräteaktivierung nicht mehr aus Ein kontinuierliches Beatmen ist zum Funktionserhalt notwendig. Bild 01: Kampfschwimmer der Bundesmarine in den 1970er Jahren mit dem Dräger-Kreislaufgerät LAR II, Wintereinsatz in gemäßigten Breitengraden. Ein intensives Anatmen des Gerätes mit warmer Ausatemluft reichte zur Aktivierung des Gerätes aus. Foto: © Gerhard Scherer Frühe Test-Erfahrungen mit isolierten Kalkbehältern Generell, besonders aber bei Kaltwassereinsätzen, stellt der Atemkalk die „Achillesferse“ von Sauerstoff-Kreislaufgeräten dar. Atemkalk verliert die Fähigkeit der Kohlenstoffdioxid-Bindung nicht nur durch Erreichen der Sättigungsgrenze, sondern auch zusätzlich durch niedrige, von außen auf den Kalkbehälter einwirkende Umgebungstemperaturen. Dies führt zu einer geminderten Atemkalk-Standzeit und verringert die geplante Tauchdauer. Dräger-Laborversuchen zufolge4 reduzieren tiefe Umgebungstemperaturen nahezu bei allen Kalkarten die Absorptionsdauer der frischen Füllung von 20 % bis mehr als 50 % der vorgegebenen Standzeit5. Bild 02: Dräger-Laborversuchen zufolge reduzieren niedrige Temperaturen nahezu bei allen Kalkarten die Absorptionsdauer der frischen Füllung von 20 % bis mehr als 50 % der vorgegebenen Standzeit. Quelle: Drägerheft 309 Dräger-Ingenieure beschäftigten sich schon lange mit der Optimierung chemisch arbeitender CO2-Absorber. Im Zusammenhang mit dem Einfluss der Umgebungstemperatur in Labor- und Feldexperimenten und der Abhängigkeit einer Reihe von Geräteparametern untersuchte man deren Brauchbarkeit für den Kälteeinsatz. Mitte der 1970er Jahre ermittelten sie im Labortest die Effektivität von Atemkalk in vier Behältern unterschiedlicher Isolation bei einer simulierten Ausatemgastemperatur von 36 0C und Feuchtigkeit von 95 %6. Die Labor-Versuchsanordnung bestand aus einer künstlichen Lungenfunktion und einem Kälteaggregat. Bild 03: Versuchsanordnung zur Ermittlung der CO2-Absorptionszeiten in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur von Kalkbehältern bei einer Reihe von Geräteparametern. Quelle: Drägerheft 309 Die dynamischen Parameter, eine dosierte Zugabe verschiedener CO2-Konzentrationen, unterschiedliche Atemminutenvolumina, simulierte Tauchzeiten und diverse Wasserbad-Temperaturen erlaubten, die tatsächlichen Bedingungen so weit wie möglich nachzubilden. Die Versuchsergebnisse zeigten abweichende Leistungsfähigkeiten der Kalkbehälter bei einer Wassertemperatur von 1,5 °C wie folgt, vgl. Bild 04. * Die geringste Isolationswirkung des 1. Behälters aus Metall (Aluminium) war zu erwarten. * Der 2. nicht isolierte GFK-Behälter mit einer 5-mm-starken Wandung zeigte bereits eine wirksamere Isolation im Vergleich mit der Metallausführung. * Der 3. mit Isolierschaum innen versehene GFK-Behälter wies eine weiter verbesserte Wirkung auf, jedoch mit dem Nachteil eines reduzierten Fassungsvermögens. Bild 04: Die Versuchsergebnisse zeigten abweichende Leistungsfähigkeiten von 4 unterschiedlichen Kalkbehältern bei einer Wassertemperatur von 1,5 °C. Quelle: Drägerheft 309 (Die Messung zwischen Nr. 2 und Nr. 3 entsprach dem Potential eines LAR V-Kalkbehälters.) * Letztendlich bot ein 15-mm-dicker PE-Schaum auf der Außenseite des 4. GFK-Kalkbehälters eine brauchbare Isolationswirkung bei extrem niedrigen Temperaturen ohne Verringerung der Füllmenge. Allerdings beanspruchte dieser Kalkbehälter durch seine größeren Außenabmessungen viel Platz - zum Nachteil einer Verkleinerung des Atembeutelvolumens. Die Ergebnisse mit Tauchern im offenen Meer während der kalten Jahreszeit in Nordnorwegen bestätigten, dass die Feldversuche mit den Laborversuchen vergleichbar waren. Die Untersuchungen brachten wesentliche Erkenntnisse über die Gestaltung von CO2-Absorbern und die Einflüsse auf deren Leistungsfähigkeit bei tiefen Temperaturen. Für den militärischen Kampfschwimmereinsatz auf der Brust getragene Sauerstoff-Kreislaufgeräte erfordern zwingend kleine Bauformen. Überlegungen, Geräte mit isolierten Kalkbehältern herzustellen, verwarf man deshalb wegen der damit verbundenen unverhältnismäßigen Baugrößen wieder. „KATOX“, ein neuer Entwurf Mehr als 10 Jahre später sorgte die Anfrage einer militärischen Institution7 für eine erneute Beschäftigung mit diesem Thema. Das in diesem Zeitraum eingesetzte „Dräger LAR V“ 8, war damals weltweit eines der beliebtesten Kreislaufgeräte, klein, zuverlässig, unkompliziert, robust und in großer Stückzahl von vielen Spezialeinheiten eingesetzt. Dennoch waren die Kaltwassereigenschaften des LAR V für den Einsatz bei tiefen Minustemperaturen unzureichend. Der Kalkbehälter mit ca. 5 mm Wandstärke aus glasfaserverstärktem Kunststoff besaß gegen Umgebungskälte eine zu geringe Isolierung. Eine herabgesetzte CO2-Absorbtionsfähigkeit des Atemkalks war die Folge. Außerdem konnte die für Normalverhältnisse bemessene Wasserfalle des LAR V-Kalkbehälters das bei sehr niedrigen Temperaturen verstärkt entstehende Kondenswasser nicht vollständig sammeln. Infolgedessen reduzierte die ansteigende Feuchte des Atemkalks zusätzlich die Kalkstandzeit. Der an Dräger gestellte Auftrag war daher, ein Sauerstoff-Kreislaufgerät für Waffentaucher mit langer Kalkstandzeit zu entwickeln, das auch bei polaren Luft-Temperaturen im zweistelligen Minusbereich eine triphibische Verwendung gewährleistete. Bei der Aufgabenstellung sollten besonders in Bezug auf den Atemkalkbehälter die Einflussgrößen der physikalisch bedingten Thermik berücksichtig werden, die unter gemäßigten Klimaverhältnissen nicht von so außergewöhnlicher Bedeutung waren. Entsprechend der genannten Dräger Labormessungen reduzieren tiefe Umgebungstemperaturen von ? 4 0C nahezu bei allen Kalkarten die Absorptionsdauer bis mehr als 50 % der vorgegebenen Standzeit. Andererseits aber entsteht Reaktionswärme während der Beatmung durch die CO2-Absorption im Atemkalk. Eine Temperaturerhöhung im Behälterkern von mehr als 40 bis 60 0C9 ist nicht ungewöhnlich. Dennoch beeinflusst eine sehr kalte Atmosphäre die Kalkstandzeit negativ. Zusätzlich sorgt die mit der Gebrauchsdauer nachlassende CO2-Bindungsfähigkeit des Atemkalks für eine absinkende Wärmefreisetzung. Bild 05: Das Dräger KATOX, Frontansicht des Gerätes. Abmessungen: L 420, B 350, H 150 mm. Foto: HK So kann bei längeren Einsätzen in sehr niedrigen Umgebungstemperaturen schon bald die Kalksättigungsgrenze erreicht sein. Eine wirksame Kalkbehälterisolierung war daher besonders für die Konstruktion eines Kaltwassergerätes für extreme Verhältnisse gefordert. Jedoch auch alle anderen Bauteile sollten eine einwandfreie Funktion in kaltem Milieu garantieren. Bild 06: Das Dräger KATOX, Rückansicht mit Atembeutel und Kalkbehälter im Gehäuse sowie mit einer 1,5-l-Sauerstoffflasche, darunter befestigt mit einer Schelle. Foto: HK Anfang 1988 stellte die Fa. Dräger in Lübeck auf Wunsch des Auftraggebers ein Erprobungsgerät für Kaltwasser-Einsatzzwecke her. Entsprechend der vorgesehenen Bestimmung: „OXygenium KAltwasser Tauchgerät“ entschied man sich für die Namensgebung „KATOX“. Bild 07: Die Einzelteile des Dräger-KATOX, schnell und „werkzeuglos“ demontierbar. Foto: HK Bis auf den Kalkbehälter und das Gerätegehäuse stammten viele Bauteile aus bereits vorhandenen Dräger-Tauch- und Atemgeräten. Gemäß Anforderungsliste (Lastenheft) entstand ein Testgerät mit Einzelelementen, die mehrfach gegen eine Vereisung unter Tieftemperaturen abgesichert waren: Bild 08: Lage der Bauteile und Richtung des Atemgasweges. Quelle: nach Dräger- Zeichnung 47 247, Bearbeitung: HK Die Druckminderereinheit Bild 09: Zeichnung des Druckminderers KATOX (Sauerstoffverteiler Dräger Atemschutzgerät BG 174) Quelle: aus Dräger Original-Zeichnung 31 972 Der federbelastete Bolzen-Druckminderer10 mit zwei getrennten Niederdruckkammern und absperrbarem Hochdruck-Manometer-Anschluss entstammte den Konstruktionen der Dräger-Bergbau-Atemschutzgeräte. Bild 10: Druckminderer KATOX (Sauerstoffverteiler Dräger- Atemschutzgerät BG 174), Schnittmodell. © Foto: HK Das KATOX erhielt einen Druckminderer aus dem bewährten Dräger-Atemschutzgerät BG 174. Der dort als „Sauerstoffverteiler“ bezeichnete Dosierungsregler brachte zwar keine Kälteerfahrungen mit, bot aber mit den nachfolgend genannten Funktionen die besten Voraussetzungen für ein erforderliches Höchstmaß an Sicherheit. Automatische Vorspülung Der BG 174-Sauerstoffverteiler stellte zur schnellen Einsatzbereitschaft eine automatische O2-Vorspülung zur Verfügung. Diese Funktion hielt man auch für die Konstruktion eines kältetauglichen Kreislauf-Tauchgerätes für vorteilhaft. Nach gewohnheitsgemäß entleertem Gerätekreislauf (wie bei allen geschlossenen Sauerstoff-Kreislaufgeräten) fand bei Öffnung des Sauerstoff-Flaschenventils zum Tauchbeginn automatisch eine vollständige Füllung des Atembeutels statt (Federkolbensteuerung), eine Gewähr für den funktionsfähigen Startzustand bei zweistelligen Temperaturgraden unter null. Gleichzeitig stand dieses Volumen für die Einspülung mit reinem O2 in den Atemkreislauf zur Verfügung. Konstantdosierung Eine Sauerstoff-Konstantdosierung sorgte für eine verlässlichere Atemgasversorgung unter den genannten Einflüssen als der (zusätzliche) Lungenautomat. Die Konstantdosierung lieferte 0,7 l/min Sauerstoff, um den Mindestbedarf des Tauchers abzudecken. Zusatzdosierung Ein manueller Bypass für zusätzliches Atemgas beim Abtauchen und für den Bedarf bei Mehrverbrauch und Notfall ergänzte die Gaszufuhr des Gerätes. Der Bypassknopf war handschuhgerecht und leicht tastbar am Druckminderer positioniert. Absperrhebel in der Manometerleitung Um bei Kältebruch der Manometer-Hochdruckleitung einen Gasverlust zu verhindern, besaß der Manometerausgang am Druckminderer einen (plombiert gesicherten) Absperrhebel. Bereits die Erfahrung mit Manometerleitungen von Dräger-Pressluftgeräten (PA38) zeigte, dass tiefe Minustemperaturen das elastische Verhalten von Kautschuk nahezu aufheben. Der Gummi versprödet derart, dass er bei mechanischen Belastungen brechen kann11. Getrennte Niederdruckleitungen Zwei getrennte Niederdruckleitungen führten vom Druckminderer in den Atembeutel und sorgten für eine erhöhte Sicherheit für den Fall der Vereisung eines der beiden Zugangswege: - die Leitung der Vorspül- und Konstant-Dosierung sowie - die Leitung des Lungenautomaten. Bild 11: Getrennte Niederdruck-Leitungen vom Druckminderer zum Atembeutel, oben: Leitung zum Lungenautomaten, unten: Leitung der Vorspül- und Konstant-Dosierung. Foto: HK Lungenautomat Dennoch erhielt das Gerät als Ergänzung zur Sicherheit zusätzlich einen kleinen Hebelmembran-gesteuerten Lungenautomaten, installiert im Atembeutel und gespeist aus einer separaten Niederdruckkammer des Druckminderers, für den möglichen Ausfall der Vorspül- und Konstantdosierung durch Vereisen. Bild 12: Atembeutel, Inhalt ca. 5 l, mit Faltenschläuchen, Niederdruck-Leitungen und dem Überdruckventil. Foto: HK Kälteresistenter Atembeutel Der Atembeutel (Volumen: ca. 5 l) mit Überdruckventil bestand aus einem halbtransparenten Silikon-ähnlichen thermoplastischen Elastomer mit hoher Zugfestigkeit und großer Elastizität noch bei tiefen Temperaturen. Er war extrem widerstandsfähig und reißfest, ein Material, das ebenfalls in bewährten Konstruktionen von Dräger-Bergbau-Atemschutzgeräten Verwendung fand. Bild 13: Platzbedarf des Atemkalkbehälters, mehr als die Hälfte des Gehäuseinnenraumes. Foto/Grafik: HK Doppelwandiger Kalkbehälter Das wichtigste Element, sozusagen „das Herz“ dieses Kreislaufgerätes, stellte der doppelwandige Kalkbehälter aus einem Zweikomponenten-Gießharz12 mit großer Festigkeit, Steifheit und Härte dar. Zur Verringerung der Behältertiefe erhielt der Kalkbehälter eine ovale Bauform. Zwei Außenbehälterhälften umschlossen nach dem Zusammenschrauben die innere Atemkalk-Patrone, gedichtet durch den mittigen umlaufenden Gummidichtring. Bild 14: Beide Außenbehälterhälften umschließen die innere Kalkpatrone. Quelle: Zeichnung aus Dräger-Bedienungsanleitung Ein- und Ausatemseite der Außenbehälter-Hälften waren durch diese Gummidichtung getrennt. Nur die mit 2,5 Liter Atemkalk gefüllte innere Patrone gewährte den Atemgas-Durchfluss. Bild 15: Schnittzeichnung des doppelwandigen KATOX-Kalkbehälters mit Darstellung des Atemgasweges und der zwei Wasserfallenbereiche. Grafik: © HK Durch Exspirationsfeuchte, die Entstehung von Wasser durch die CO2-Bindungsreaktion, sowie Kondenswasserbildung an der Kalkbehälter-Innenseite, sammelte sich Wasser in beiden getrennten Außenbehältern. Der Isolations-Hohlraum zwischen innerem und äußerem Behälter mit einem Volumen von 2,4 Litern diente partiell gleichzeitig als Kondenswasserfalle, die von außen mittels 2 Zugventilen (Bild 16) während des Tauchens entwässert werden konnte. Insbesondere in sehr kaltem Wasser sollte diese Entwässerung nach jeweils 30 min Tauchzeit stattfinden – „Ventile nacheinander ziehen, bis jeweils Gasblasen entweichen“ Bild 16: Zugventile zur Entwässerung, getrennt für beide Innenseiten des Kalkbehälters, Zugweg ca. 5 mm. Foto: HK Dräger-Labormessungen und Freiwasser-Erprobung Der abschließende Labortest des KATOX im Vergleich mit dem LAR V in Bezug auf den Unterschied der Kalkstandzeiten konnte trotz umfangreicher Nachforschungen bis heute nicht aufgespürt werden. Die Ergebnisse wären sicher interessant. Die mündlichen Überlieferungen des Konstrukteurs selbst, als auch der damals in das Projekt eingebundene Ingenieure bestätigen aber, „dass die Standzeitmessungen durch die Isolierung des Kalkkanisters positiv verlaufen sein sollen. Man erhielt zusätzliche Standzeiten in der Größenordnung 15-20 min mit der Konstruktion. Der Grund dafür war, dass sich das Kondenswasser in beiden Wasserfallen sammelte, anders als bei den Kanistern des LAR V, wo ein großer Teil der Kondensflüssigkeit im Kalk zu finden war. Man registrierte im Gegensatz dazu eine geringere Feuchte im Kalk des KATOX-Behälters. Die Aktivität des Kalkes war im KATOX damit höher. Zusätzlich hatte der Zwischenraum eine isolierende Wirkung“ 13. Sachkundigen Insidermeinungen zufolge sollen nach den Labormessungen auch Erprobungen im Freiwasser stattgefunden haben. Obwohl nicht gänzlich bestätigt, ist dies anzunehmen. Denn eine 18-seitige „KATOX-Bedienungsanleitung für die Felderprobung“14 mit Einsatzanweisungen (März 1988) hätte vermutlich für ein reines Laborgerät weniger Sinn ergeben. Eigene Messungen Um die Effektivität dieses speziellen Kaltwasser-Sauerstoff-Kreislauftauchgerätes KATOX nachvollziehen zu können, wäre eine heutige Labormessung mit anschließender Erprobung im Freiwasser sicher aufschlussreich. Der Aufwand für anspruchsvolle Analysen ist jedoch erheblich. Es fehlten die entsprechenden Einrichtungen und Klimabedingungen. Ein einfacher Versuch mit „Bordmitteln“15 konnte aber zumindest die Wirksamkeit des Kalkbehälters in Bezug auf die Isolationsfähigkeit gegenüber umfließend kaltem Wasser im Vergleich mit zwei anderen Behältern der Dräger-LAR V-Kreislaufgeräte veranschaulichen. Bild 17: Atemkalkbehälter, von links nach rechts: KATOX, LAR V Mod 2B mit Neoprenüberzug und LAR V ohne Isolierung. Foto: HK Die leeren Kalkbehälter, * der doppelwandige KATOX, aus Gießharz, * der des LAR V Mod 2B UBA16, aus Polyurethan, mit 8 mm Neoprenüberzug und * der des LAR V, aus glasfaserverstärktem Kunststoff, ohne zusätzliche Isolierung wurden jeweils in einem mit Crash-Eis gefüllten Behälter der Umgebungskälte für 90 Minuten ausgesetzt. Die Ein- und Ausgänge erhielten zur Abdichtung Laborverschlussstopfen. Die Behälter-Innentemperatur betrug zu Beginn ca. 22 0C, die Crash-Eis-Außentemperatur ca. 1 bis 3 0C. Das Ergebnis zeigt Bild 18. Die Isolation des KATOX-Behälters war erkennbar die effektivste, gefolgt vom Neopren-ummantelten Behälter des LAR V 2B UBA. Der Behälterinnenraum des LAR V ohne Isolation kühlte nach 90 Minuten auf etwa 8 0C ab. Bild 18: Isolationsvermögen von 3 leeren unterschiedlichen Kalkbehältern im Vergleich. Messungen: HK Die Gerätekomponenten Die inneren Bauteile fanden in einer für diesen Versuch speziell hergestellten Geräteschale Platz. Sie sind durch die nach unten abklappbare O2-Flasche gut zugänglich, was auch die Entnahme des Kalkbehälters nach Abhaken der Gummibänder vom Haltesteg und Lösen der ND-Leitungen leicht macht. Die Verbindung des Atembeutels mit dem Kalkbehälter ist „schlauchschellenlos“. Die Gummimuffen des Beutels überstülpen die Anschlußtüllen des Kalkbehälters - „Testgeräte-typisch“, aber dicht (Bild 19). Die fest mit dem Atembeutel verbundenen Atemschläuche werden in der Durchführung durch die obere Behälterwand mittels Gewinde und Überwurfmuttern fixiert. Bild 19: Die „schlauchschellenlose“ Verbindung des Atembeutels mit dem Kalkbehälter durch Überstülpen der Gummimuffen. Foto: HK Beide Atemwege sind mit Faltenschläuchen durch den Atembeutel geführt. Der Faltenschlauch der Einatemseite enthält im Beutelinnenbereich Seitenöffnungen für den Gasaustausch. Der Schlauch der Ausatemseite durchquert den Beutel ohne Öffnungen (Bild 08). Das verwendete LAR V–Ventilmundstück ist bekannt. Die Dosierleitung und Lungenautomatenleitung lassen sich mühelos von Hand vom Druckminderer abschrauben (Bild 11). Die ¾“-Hochdruckverbindung der Sauerstoffflasche enthält eine Handverschraubung. Beide Hälften des Kalkbehälters geben nach Herausdrehen der zentralen Spannstange die innenliegende Kalkpatrone frei. Bild 20: Beide Hälften des Kalkbehälters geben nach Herausdrehen der zentralen Spannstange die innenliegende Kalkpatrone frei. Expl.-Darstellung: HK Nach dem Abschrauben der Spannschraube über dem Decksieb kann dieses mittels der Halteösen entfernt werden. Der Füllvorgang (mit ca. 2,5 Liter Atemkalk) entspricht dem aller linearen Kalkbehälter. Die zentrale Hohlstange sollte vor dem Verfüllen mit einem kleinen Stopfen verschlossen werden. Nach dem Zusammenbau des Kalkbehälters erfolgt die Montage aller übrigen Bauteile des Gerätes, eine unkomplizierte Handarbeit von zehn Minuten – (im Gegensatz zum „Klarmachen“ eines LAR VII mit Neopren-Kalkbehälter-Ummantelung). Dieses KATOX-Exemplar befindet sich in einem selten guten Erhaltungszustand. Die Revision beinhaltete ausschließlich die Reinigung aller Komponenten, den Ersatz von Verschleißteilen und eine abschließende Funktionsprüfung. Zugunsten der Bewahrung eines seltenen historischen Tauchgerätes wurden keine Veränderungen vorgenommen und auch keine technischen Bauteile zerlegt. Freiwassertauchgänge Die erfolgten Freiwasser-Tauchgänge bezogen sich ausschließlich auf die Prüfung der atemphysiologischen und technischen Eigenheiten des KATOX. Bild 21: Probe des Dräger-KATOX im Freiwasser. Taucher: Michael Müller und Helmut Knüfermann Neben der im Vergleich mit anderen Kreislaufgeräten ungewöhnlichen automatischen Startfüllung, die über Wasser zur Einspülung zur Verfügung stand, war die Funktion erfreulich gut. Die Dimension des geräumigen Kalkbehälters führt zu einer hohen Positionierung des Atembeutels. Diese verhältnismäßige Nähe zum Atemzentrum ergibt eine merklich geringe Druckdifferenz zwischen Lunge und Gegenlunge und damit ein leichtes Atmen in Brustlage. Das Schwimmen in Rückenlage wies ebenfalls keine bedeutenden Atemdruck-Differenzen auf. Der Konstantflow von 0,7 l/min O2 war für eine geringes Schwimmtempo ausreichend. Das gut tastbare Bypassventil gab ausreichend Gasvolumen beim Abtauchen und das Überdruckventil im Atembeutel funktionierte beim Auftauchen angemessen. Der Gebrauch der Entwässerungsventile hatte jedoch seine Tücken. Nach Gebrauchsanweisung ist das Gerät dazu nach einer Tauchzeit von jeweils 30 min in eine senkrechte Lage zu bringen. Der Atembeutel soll dazu ganz gefüllt und die Entwässerungsventile nacheinander gezogen werden bis jeweils Gasblasen entweichen. Die Anleitung der Gebrauchsanweisung „Dieser Vorgang kann unter Wasser durchgeführt werden“, war vermutlich ein gut gemeinter Rat. Die Erfahrung zeigte jedoch, daß mit zunehmend gefülltem Atembeutel die ausgewogene Tarierung beträchtlich dahinschwand. Da Sauerstoff-Kreislaufgeräte prinzipiell ohne Tarierweste getaucht werden - eine sportliche Herausforderung. Viel folgenreicher jedoch: Das (nicht verstellbare) Überdruckventil im oberen Bereich des gefüllten Atembeutels ließ Atemgas ab und reduzierte den notwendigen Druck im unteren Gerätebereich. Eine Entleerung des Kondenswassers mittels gezogener Entwässerungsventile war damit unzureichend. Das Überdruckventil war technisch intakt. Die Messung ergab einen Ansprechdruck von 12,5 cmWS (9,2 mmHg). Das Manometer mit HD-Leitung, gehalten an einer einfachen Gummischnur, ließ sich problemlos ablesen. Das Tragesystem wäre im Bereich der Hüfte verbesserungswürdig, ist für ein Versuchsgerät jedoch tolerabel. Durch den großen Kalkbehälter hat das KATOX im Gegensatz zu den technischen Datenangaben der Gebrauchsanleitung in Bild 22 einen Auftrieb. Im Vergleich zum LAR V waren etwa 1,5 kg Blei (bei gleicher O2-Flaschengröße) zusätzlich erforderlich. Bild 22: Die technischen Daten des Dräger KATOX. Quelle: ©Bedienungsanleitung KATOX GA 2214.17 1. Ausgabe – März 1988 Dräger-Ergebnisse und Erfahrungen Trotz der guten Versuchsergebnisse und „positiv verlaufenden Standzeitmessungen“ war dieses Testgerät mit vielversprechenden Eigenschaften kein Muster für eine Serienproduktion. Nach Meinung erfahrener Kampfschwimmer sprach der Konstantflow gegen eine geforderte blasenlose Ausführung17. Der Auftraggeber bemängelte die Größe des Gerätes, die kantige Form der Versuchsgeräteschale (Bild 23) und das für Kreislauftauchgeräte ungewöhnliche Material des Atembeutels. Auch die Meinung, das KATOX sei für die Anwendung zu kompliziert, trug kritisch zur Bewertung bei. Letztendlich aber stellte man nach Auswertung der Labor-Versuchsergebnisse fest, dass die Außenisolierung eines LAR V-Behälters mittels Neopren-Umhüllung nicht viel schlechtere Laborergebnisse für den Einsatz bei tiefen Minustemperaturen zeigte als der doppelwandige KATOX-Kalkbehälter. Für die anderen im KATOX verwirklichten frostsicheren technischen Komponenten würden sich im Laufe der weiteren Entwicklung der „LAR-Familie“ Kompromisse finden lassen, die auf den KATOX-Erfahrungen basierten. Bild 23: Die kantige Form und militärisch ungünstige Farbe der für das KATOX speziell hergestellten Geräteschale machten sie zu nicht mehr als einer Versuchshülle. Foto: HK Der Aufwand, ein Kreislaufgerät herzustellen, das nur für spezielle taktische Unternehmungen zum Einsatz kommen sollte, war auch vermutlich in Bezug auf das damals geringe Kundeninteresse zu hoch. Die Dräger-Versuchsabteilung stellte das Entwicklungsprojekt Dräger-KATOX wieder ein. Der Konstrukteur18 ließ nach eigenen Angaben nicht mehr als 3 Stück Dräger-KATOX herstellen. Obwohl die Ingenieure der Drägerwerke viele Ideen und Entwicklungsarbeit scheinbar fruchtlos in das KATOX steckten, war dieses Projekt kein Misserfolg. Wie immer bei Erfahrungen mit Erprobungsgeräten, wie den Dräger LAR I, LAR IIA, LAR IIC, LAR IV und KAR I, halfen die Versuchsergebnisse auch in diesem Fall erneut zu einer gelungenen Weiterentwicklung. Das LAR V wurde kaltwassertauglich. Zu Beginn der 1990er Jahre entstand in Zusammenarbeit mit dem US-Militär das „LAR V Mod 2B UBA“19 mit einer abnehmbaren 8-mm-starken Neopren-Kalkbehälter-Umhu?llung zur Isolierung. Es erlaubte eine längere Tauchdauer bei niedrigen Temperaturen. Die Temperaturgrenzen während des Tauchgangs betrugen 2 °C bis 32 °C (35 0F bis 90 0F), bei Transport und Lagerung von 30 °C bis 50 °C (-22 0F bis 120 0F). Ab Wassertemperaturen geringer als 15 °C (60 0F) sollte der Kalkbehälter mit dem Neopren-Überzieher versehen werden. Wie auch schon das Kreislaufgerät LAR V erhielt das LAR V Mod 2B UBA einen einfriersicheren Druckminderer. Ein Überdruckventil verhinderte bei einer auftretenden Vereisung das Abströmen des Vorratsgases in den Atembeutel. Ein neues Gehäuse aus Polyurethan ersetzte das LAR V-Gehäuse aus GFK. Der Atemkalkbehälter erhielt eine größere und veränderte Form. Zwar blieb das Füllvolumen von 2,5 l Atemkalk erhalten, jedoch wurde die Kondenswasserfalle vergrößert. Eine wirksame Verbesserung für die gesteigerte Kondenswasserbildung bei Kälte. Das Manometer zur Messung des Atemgasvorrates fand im Unterschied zum LAR V am Ende einer biegbaren frostsicheren Hochdruckleitung Platz. Nach intensiver Erprobung bewies dieses LAR V Mod 2B UBA seine Kaltwassertauglichkeit. Der einst an Dräger gestellte Auftrag, ein Sauerstoff-Kreislaufgerät für Waffentaucher mit langer Kalkstandzeit zu entwickeln, das auch bei polaren Luft-Temperaturen im zweistelligen Minusbereich eine triphibische Verwendung gewährleistete, war damit erreicht. Resümee  Als Taucher unserer gewohnten Klimazonen stellt man sich nach den obigen Zeilen die Frage nach dem Sinn militärischer Einsätze in der arktischen Kälte. Jedoch ist die Arktis keine Region fernab aller Konflikte mehr, sondern zunehmend ein Ort widerstreitender Interessen der Großmächte20. Die Klimaerwärmung sorgt schleichend für die Wiederkehr eines kalten Krieges. Heutige Sauerstoff-Kreislaufgeräte sind auch für künftige Aufgaben in diesen kalten Zonen dank der beschriebenen Versuche in den letzten Jahrzehnten ausgereift und einsatzfähig. 1 engl.: CCR = closed circuit rebreather 2 gemäß pO2: 6 m, in der Praxis: ?10 m 3 engl.: SCR = Semiclosed Rebreather 4 Lubitzsch / Schomann, Untersuchungen an CO2-Absorbern für Kreislauftauchgeräte, Drägerheft 309, 1977 5 abhängig von der Kalksorte, CO2-Abgabe, Atemfrequenz und Atemvolumen 6 ? physiologische Normalwerte 7 Die Nationalität des Interessenten konnte nicht ermittelt werden. 8 LAR V, hergestellt von 1975-1997 9 In Dräger-Atemschutz-Kreislaufgeräten befinden sich Atemluftkühler (DRÄGER PSS BG 4 Plus) 10 „Druckminderer für Atemschutzgeräte“, Ing. E. Warncke, Drägerheft 300 11 Stand der Gummiqualität vor mehr als 30 Jahren 12 gegossen in einer Holzform (Dipl. Ing. L. Schomann) 13 Dipl. Ing. Lutz Schomann, Stephan Bohlen – Diving Military Rebreather Dräger Safety AG & Co. KGaA 14 „KATOX Sauerstoff-Kreislauftauchgerät – Bedienungsanleitung, nur gültig für die Felderprobung“ März 1988 15 nicht umfassend = nur das, was an Bord ist 16 LAR V Mod 2B UBA (= Underwater breathing apparatus) Neugestaltung des LAR V für die USA 17 Jens Höner, Kampfschwimmer und Minentaucher der Bundesmarine 18 Dipl. Ing. Lutz Schomann 19 LAR V Mod 2B UBA (= Underwater breathing apparatus) Neugestaltung des LAR V für die USA 20 Agne Cepinskyte, Michael Paul, „Großmächte in der Arktis“, Stiftung Wissenschaft und Politik, SWP-Aktuell A 50, Juni 2020