Analyse eines weitgehend unbekannten Tauchgerätes, der ORCO Mask (Berge-Maske) Von Dr.-Ing. Lothar Seveke Komplettes Tauchgerät mit ORCO-Mask von 1944 [04] Zufällig erfuhr ich von einem australischen Freund, Des Williams, etwas über ein leichtes Tauchgerät, das australische Bergungs-taucher nach dem II. Weltkrieg in großer Zahl gern bei ihrer Arbeit im pazifischen Raum verwendet hätten und dessen Herkunft weitgehend unbekannt sei. Der Schwede Victor Berge sollte es erfunden haben. Ein schwedischer Kollege, Staffan von Arbin, konnte mir einige Hinweise und Quellen zu Victors Leben beschaffen, und bei unserem niederländischen Mitglied David Dekker fand sich sogar ein Exemplar dieses Gerätes in seinen unendlichen Beständen, das er mir netterweise für diese Analyse zur Verfügung stellte. Wie der Artikel [01] zeigt, ist das Gerät von großer Bedeutung für die geschichtliche Einordnung der Erfindungen von autonomen Tauchgeräten. Für die Berge-Maske, ein autonomes Tauchgerät mit Vollgesichtsmaske wurde bereits 1941 das Patent [02] angemeldet, es wurde also Jahre vor den Geräten von Commeinhes, Gagnan/Cousteau und Eldred erfunden. Das Gerät wurde in den USA in großen Stückzahlen produziert und entsprechend dem Lend-Lease-Act an die Alliierten im II. Weltkrieg verteilt. Von diesen wurde es sowohl als schlauchversorgtes als auch autonomes Tauchgerät breit verwendet. Ein Nachweis dafür ist die Aufnahme in das Technische Tauch-Handbuch des US-Kriegsministeriums von 1944 [04]. Warum es später in Vergessenheit geriet, ist weitgehend unklar, aber wohl den Marketingaktivitäten neuer Hersteller zu verdanken. Victor Berge hatte nach seiner japanischen Gefangenschaft andere existenzielle Probleme und die Ohio Rubber Co. war nicht auf dem neuen Tauchsportmarkt aktiv [01] Für die Analyse hatte ich eine weitgehend komplette, gut erhaltene Maske mit Mundregler zur Verfügung, bereitgestellt von David Dekker. Die Maske wurde etwa 1942 von der Ohio Rubber Co. für den Einsatz in der US Navy produziert. Sie ist anatomisch sehr gut ausgeformt und aus dickem, dunkelbraunem Gummi guter Qualität. Die Nase kann vom Taucher für den Druckausgleich gut erreicht werden, anders als bei Gasmasken, die in der Kriegszeit auch zum Tauchen eingesetzt wurden, da aus Kapazitätsgründen zu wenig echte Tauchmasken zur Verfügung standen. Die Maske hat zwei runde, 50-mm-große Scheiben aus konvexem getempertem Glas (1 mm stark), die nur in eine Rille im Gummi eingesetzt sind. Die Scheiben stehen in gerader Linie, so dass verzerrungsfreies Sehen möglich ist. In Höhe des Mundes ist ein Rohr 15 mit einem gerippten Sechskant-Profil in den Gummi eingeklebt, außerhalb der Maske mit einem Gewinde, an das der Regler geschraubt werden kann. Von der Mundöffnung führen Rillen im Gummi zu den Scheiben, in die laut Patent Luftverteilungsröhrchen eingelegt waren, um die Scheiben am Beschlagen zu hindern. Diese Röhrchen waren an diesem Exemplar nicht mehr vorhanden. Das Ausatmen erfolgt direkt in die Maske, die Luft entweicht über die Dichtlippen am Gesicht. Die Bänder der Kopfspinne sind anvulkanisiert oder sehr haltbar geklebt. Sie werden hinter dem Kopf mit einem Messing-Haken geschlossen und gewährleisten einen sehr guten Sitz der Maske. Sie sind nicht einstellbar aber genügend kurz für kleine Köpfe und lassen sich für größere mit einer Schlaufe verlängern. Der Regler besteht aus zwei gegossenen unveredelten Messing-Halbschalen und wird einfach auf das Mundrohr der Maske geschraubt. Um ein Verdrehen zu verhindern, wird er mit der Klemmschraube 19 fixiert. Victor Berge hatte ja für seine Erfindung in Detroit einen kleinen industriellen Regler eingesetzt [01]. ORCO soll den Regler eines Höhenatmers aus einem Flugzeug genommen haben. Er arbeitet laut Handbuch [03] mit einem Druck von 9 bis 18 bar, der von einem Druckminderer oder von einer Pumpe geliefert wird. Der Regler scheint nicht für wirkliche Wartungsarbeiten vorgesehen gewesen zu sein. Es gibt außer der Hauptmembran und der Ventildichtung keinerlei auswechselbare Dichtungen aus Gummi oder einem anderen üblichen Material. Entweder dichtet Metall auf Metall, oder die Gewinde sind verklebt. Die meisten Schrauben sind durch einen Körnerschlag in das weiche Messing fixiert. Deswegen wurde auch auf die Demontage einiger Teile verzichtet (Düsenschraube 06 und Achsschrauben 11 des Ventilhebels). Der Regler war mit verharztem Fett stark verschmutzt und wurde mit Essiglösung im Ultraschallbad gereinigt. Nach einer Behandlung mit Kriechöl ließen sich die sechs Gehäuseschrauben herausdrehen und die beiden Halbschalen voneinander lösen. Die Membran aus Gummi war unbrauchbar, ließ aber ihre ursprüngliche Form noch erkennen. Sie ist etwa 2 mm dick und hat in der Unterschale eine Öse aus Gummi, in die der Ventilhebel steckt. Richtung Oberschale ist im Zentrum ein kleiner Zylinder, der aus einem Loch in der Oberschale kurz herausragt. Er dient als Spülknopf zum Ausblasen der Maske. Die Membran 16 hat in den beiden flachen Halbschalen nur einen geringen Hubbereich von etwa 5 mm. Der wird auf einen einzelnen Hebel 12 übertragen, der direkt die Ventildüse 06 von etwa 1,2 mm Durchm. freigibt. Die Verbindung zum Umgebungsdruck wird über 18 Löcher in der Oberschale von 3 mm Durchm. (gesamt 127 mm²) hergestellt. Die Oberschale hat im Klemmbereich der Hauptmembran eine umlaufende Nut, um ihr festen Halt zu geben. Im Loch für den Gewindestutzen des Luftschlauches ist die Düsenschraube 06 zu erkennen, die nicht entfernt wurde, da sie eingeklebt ist. Auf sie wird im Reglerinneren die Ventildichtung, die im Ventilhebel 12 sitzt, mit Hilfe der Feder 14 gedrückt. Der Andruck ist in Abhängigkeit vom verwendeten Mitteldruck über die Schraube 13 mit Kontermutter einstellbar. Unter der Düsenschraube sind im Foto die beiden Bohrungen für den Bypass zu erkennen, mit dem über den Hebel 07 auf Freeflow umgestellt werden kann. Die Bypass-Welle dichtet über einen Konus, der von einer Feder 08 in seine Aufnahme gezogen wird. Im Schlauchanschluss 01 sitzt noch ein Rückschlagventil 02…04, das einen plötzlichen Druckabfall in der Maske bei Schlauchbruch verhindern soll. Nach der Reinigung und Funktionsanalyse der Einzelteile wurde überlegt, ob ein tauchfähiger Zustand des Gerätes wieder herzustellen ist. Da nur die Membran als einziges Teil wirklich unbrauchbar war, wurde diese durch eine aus Gummi geklebte Membran ersetzt. Nach dem Zusammenbau funktionierte der Regler prinzipiell, war aber undicht, da einige der Verklebungen, die statt Dichtungen in diesem Regler verwendet wurden, für die Demontage entfernt werden mussten. Ein Teil der Verklebungen ließe sich auch nicht durch Dichtungen ersetzen. Dafür müsste in die Konstruktion eingegriffen werden. Wenn aber neu verklebt wird, wäre eine erneute Demontage, wofür auch immer, kaum zerstörungsfrei möglich. Quellen: [01] Williams, Des, Die ORCO-Vollgesichtsmaske, TH 09, 2018, t1p.de/yfjt [02] Berge, Victor, Diving mask and apparatus, US-Patent 2,303,155A, 4.3.1941 [03] USN Instructions for ORCO Diving Mask Operation, 1942 t1p.de/9tnc [04] War Department Technical Manual TM 5-475, Military Diving, 1.9.1944